Die hungernden Kinder in Afrika… - Ein Interview
- Ivanka
- 24. Juni 2019
- 4 Min. Lesezeit

In Deutschland wird von „Afrika“ vor allem ein Bild von den Medien gezeichnet: menschenleere Landschaften mit Giraffen und Elefanten bei Sonnenuntergang, hungernde Kinder, Wassermangel, Krankheit und Gefahr. Wie vielfältig dieser Kontinent doch tatsächlich ist, wie kontrastreich gerade einzelne Länder sind und wie viel mehr hinter Afrika steckt, versucht die Freiwillige Lena aus Südafrika gemeinsam mit anderen Freiwilligen, die zur Zeit quer verteilt in Afrika sind, aufzudecken.
Die wahren Antworten auf viele Vorurteile versuchen wir dadurch zu verbreiten und vor allem wollen wir die Menschen selbst zu Wort kommen lassen. Absichtlich sind manche Fragen überspitzt und provokant dargestellt, um die Denkweise vieler Deutscher deutlich zu machen.
Mein Interviewpartner ist Nicodem, ein Freund und ehemaliger Kollege aus dem Centre Kekeli. Bei ihm war ich schon häufig eingeladen. Momentan wohnt er bei einer Familie, bei der er arbeitet.
Erst kürzlich waren wir in meiner Mittagspause senegalesischen Reis essen. Ich nutzte die Gelegenheit und fragte ihn folgende Fragen.
„In Afrika gibt es kein Wasser.“
Hast du zu wenig Wasser zur Verfügung?
Nein. Hier in Lomé gibt es genügend Wasser.
Gibt es in deinem Land nicht genügend Wasser?
Nein. In manchen Dörfern im Norden gibt es zu wenig Wasser.
„Kinder in Afrika hungern.“
Hungerst du?
Nein.
Kannst du dich ausgewogen ernähren?
Nein. Ich esse, um satt zu werden. In dem, was ich esse, z. B. Pâte (Maisbrei) oder Bohnen mit Gari (Mehl aus Maniok), ist nicht alles Wichtige enthalten.
Ich habe nicht das Geld, um mir die notwendigen Nahrungsmittel zu kaufen. Hätte ich das Geld, würde ich Ei, Saft, Früchte und Limonade kaufen.
Ich würde auch gerne zunehmen, aber das klappt wegen meiner Ernährung leider nicht. Noch vor ein paar Jahren war ich fülliger, das hätte ich gerne wieder.
Müssen Menschen in deinem Umfeld hungern?
Ja. Hier in Lomé sieht man Menschen auf den Märkten oder Kinder auf den Straßen, die hungern. Aber das geht noch, auf den Dörfern ist es viel schlimmer.
„In Afrika infiziert man sich mit schlimmen Krankheiten.“
Sind in deinem Umfeld Menschen von einer ansteckenden chronischen Krankheit infiziert?
Ja, wie in allen Entwicklungsländern.
„Afrika ist gefährlich.“
Fühlst du dich in deiner Umgebung sicher?
Zuhause fühle ich mich sicher, weil das Haus von einem Sicherheitsmann bewacht wird.
Außerhalb des Hauses habe ich nachts Angst und bleibe deshalb nie lange draußen.
Wurde ein Bekannter/Bekannte von Dir jemals ausgeraubt, verletzt oder hat eine andere gefährliche Situation erleben müssen?
Der Monsieur, für den ich arbeite, wurde schon drei Mal überfallen, weil die Leute wissen, dass er viel Geld hat.
Welche Sprache(n) sprichst Du?
Ewe, Französisch, ein wenig Deutsch und Gebärdensprache.
Kannst du bitte einen normalen Tag in deinem Leben beschreiben?
Um drei Uhr morgens stehe ich auf. Ich arbeite als Reinigungskraft für eine Familie, wo ich auch ein eigenes Zimmer habe und lebe. Bis acht Uhr fege und räume ich das Haus mit seinen sieben Zimmern auf.
Danach habe ich frei. Manchmal gehe ich zu meiner Mutter und schaue, ob es andere Dinge im Haus zu erledigen gibt.
Um 17 Uhr besuche ich meine Mutter bei ihrem Stand und helfe ihr. Gegen 22 Uhr bauen wir den Stand ab und bringen alle Sachen nach Hause.
Was sind Themen, über die du Dich beim Abendessen unterhältst?
Während des Essens unterhält man sich nicht, man spricht höchstens übers Essen selbst, also z. B. dass es schmeckt. Aber nach dem Essen sitzt man zusammen ums Feuer und erzählt sich Geschichten.

Was ist dein Lieblingsessen?
Fufu mit Erdnuss- oder Palmnusssoße.
Welche Musik hörst Du gerne?
Ich mag Musik nicht so gerne, aber wenn, dann höre ich fast jedes Genre, z. B. auch Rap oder Gospel.
Was ist dein Lieblingsfilm?
Einen Lieblingsfilm habe ich nicht, aber ich mag Actionfilme.
Welcher Feiertag ist am wichtigsten für dich?
Neujahr.
Wie gestaltest Du diesen Feiertag?
Am Abend vor Neujahr, am 31. Dezember, gehe ich abends in die Kirche, das kann bis zwei Uhr nachts gehen. Danach treffe ich mich mit meinen Freunden aus meinem Viertel. Bis morgens sitzen wir zusammen, hören Musik, spielen und machen Feuerwerk.
Am nächsten Morgen gibt es Fufu und wir trinken Sodabi. Danach kommt die Familie zusammen und wir essen und singen gemeinsam. Abends gehe ich an den Strand und manchmal in die Eisdiele.
Was würdest du Menschen in Deutschland gerne über Dich wissen lassen?
Wenn du eine Sache im Leben möchtest, musst du dafür kämpfen, auch wenn diese Sache noch so fern und unrealisierbar scheint. Nichts im Leben geschieht durch Zufall.
Mein Traum war es immer, Deutsch zu lernen. Es war hart, doch ich habe es geschafft.
Wie stellst Du Dir Europa/Deutschland vor oder was weißt du über Europa/Deutschland?
Die Deutschen mögen es, zu feiern, z. B. Nikolaus. Außerdem mögen sie die Arbeit und arbeiten hart. Sie machen viel mit Erneuerbaren Energien und mögen Fußball.
Was wünscht Du Dir für deine Zukunft?
Eine tolle Frau und gute Arbeit. Ich möchte drei Kinder haben, erst ein Mädchen, dann einen Jungen und bei dem dritten ist es mir egal. Wenn ich dann ein Auto habe, sitzt meine Frau auf dem Beifahrersitz, meine drei Kinder hinter uns und meine Eltern ganz hinten.
Vielen Dank…
… an dich, Nico, für deine offenen und ehrlichen Antworten, für deine investierte Zeit und deine Geduld mit mir, wenn ich Probleme mit dem Übersetzen hatte.
… an dich Lena, dafür, dass du so eine tolle Aktion auf die Beine stellst! Ich kenne dich zwar nicht, aber allein das macht dich sehr sympathisch!
(Auch Lena hat natürlich das Interview durchgeführt. Hier kommt ihr zu ihrem Blog:
https://findmylifeinsouthafrica.wordpress.com/)
... an dich, den (hoffentlich) interessierten und aufmerksamen Leser. Ich möchte das Interview gar nicht weiter kommentieren, was du daraus mitnimmst, ist ganz allein dir selbst überlassen. Nur so viel: Dies ist eine Stimme von Milliarden, die an einem vergleichsweise winzigen Punkt auf dem Kontinent Afrika spricht. Daraus lässt sich nun also kein „Afrika“-Bild zimmern, aber einen kleinen Eindruck hast du nun. Sehr gerne darfst du diesen Beitrag verbreiten!







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